Zunächst zitiert mich Ulrich Kutschera auf der Seite 104 seines Buches
zum Thema Utricularia unter anderem wie folgt:
“Nun möchte ich Herrn Kutschera zunächst einmal bitten, uns mit diesem
Ansatz testbare Hypothesen zu den auf meiner Homepage
diskutierten Beispielen von Utricularia (der Wasserschlauch) ... oder anderen Synorganisationsphänomenen vorzulegen.“
Schauen wir also nach, ob UK uns mit seinem Ansatz irgendwelche testbaren Hypothesen
vorgelegt hat. Auf den Seiten 288 bis 290 lesen wir
nach einigen ZEIT- und weiteren Zitaten (alle farbigen Hervorhebungen im Schriftbild wieder von mir):
- (1) UK: “Eine Analogiebetrachtung "Lebenskräfte/Intelligente Designer" führt
uns zu der in Kapitel 7 aufgeworfenen Frage nach
dem Wasserschlauch (Utricularia vulgaris, s. S. 230). In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit (30. April 2003) habe ich gesagt, der Wasserschlauch gehöre gerade wegen
seiner speziellen Anpassungen zu den Paradebeispielen
für die Kräfte der Evolution. Dieser
Satz wird von den deutschen "Theo-Biologen" besonders
heftig attackiert, da es bis heute ungeklärt ist, wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze
im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind. Warum ist der Wasserschlauch dennoch ein klarer Beleg für die "richtungsgebenden
Kräfte" der Evolution?"
- (1) W-EL: Damit räumt Kutschera im Gegensatz zu Neukamm (2009) vernünftigerweise
und unmissverständlich ein, dass es "bis heute ungeklärt ist, wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze
im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind". Die behauptete Evolution ist bisheute nicht testbar. Und diese Aussage
ist in voller Übereinstimmung mit den wissenschaftlich
begründeten Feststellungen fast aller Forscher,
die sich jemals mit dieser Frage genauer beschäftigt
haben (vgl. die Ausführungen dazu bei W-EL 2010, pp. 11/12 wieder unter http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf ).
UK fährt fort:
(2) UK: "Utricularia vulgaris ist eine fleischfressende (carnivore) Unterwasserpflanze, die in nährstoffarmen
Tümpeln, Teichen und Seen Europas angetroffen
werden kann. Die wurzellose, frei im Wasser umherdriftende
Pflanze kann in diesem speziellen, [a] extrem stickstoffarmen Lebensraum [b] praktisch ohne Konkurrenz überleben und sich fortpflanzen, weil sie [c] im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses eine [d] spezielle Blatt-Metamorphose entwickelt hat."
(2) W-EL: Zum Thema [a] des "extrem stickstoffarmen Lebensraums" war auf der
von UK mit Hilfe weiteren Vertreter der Synthetischen
Evolutionstheorie gesperrten Institutshomepage u.
a. Folgendes zu lesen – ein Punkt, den ich in der Utricularia-Arbeit von 2010/2011 mit dem Hinweis auf eines des häufigsten Missverständnisse
eingeleitet habe:
"Zur Veranschaulichung der häufigsten Missverständnisse greife
ich auf die frühere Diskussion mit MN zurück,
in der er davon ausging, dass Utricularia in "nährstoffarmen Flachmooren" vorkommt, worauf ich ihn auf
folgende Punkte aufmerksam machte:"
"Flachmoore sind im Gegensatz zu Hochmooren in der Regel nährstoffreich:
"Die F l a c h m o o r e setzten sich entsprechend ihrer Bildung in nährstoffreichem Wasser vorwiegend aus nährstoffreichen Torfarten zusammen. Auch als Vegetationsdecke der Flachmoore finden sich heute
anspruchsvolle Pflanzenvereinigungen. Der Kalkgehalt
der Flachmoore beträgt über 2%, häufig
sogar über 4% der Trockensubstanz. Ferner zeichnen
sich die Flachmoore durch hohen Stickstoffgehalt aus, der sie in landwirtschaftlicher Beziehung zu besonders wertvollen Kulturböden
macht. Nach erfolgter Entwässerung zersetzen
sich die oberen Moorschichten ziemlich rasch, das
Moor "vererdet" gut..Im Gegensatz dazu
setzen sich die Hochmoore aus den als nährstoffarm
gekennzeichneten Torfarten zusammen. Auch der Kalkgehalt
ist…gering, meist unter 0,2%. Im Naturzustand sind
die Hochmoore oft dicht mit anspruchlosen Holzgewächsen
und Heidekraut bestanden, die auf dem nährstoffarmen
Standort noch ihr Fortkommen finden. Die landwirtschaftliche
Nutzung der Hochmoore setzt die Zuführung der
fehlenden Nährstoffe voraus" (O. Heuser:
Der Kulturboden, seine Charakteristik und seine Einteilung;
1931, p. 26; E. Blanck (Hrsg): Handbuch der Bodenkunde,
Bd. VIII; Springer).
Flachmoore "sind meist nährstoffreich (eutroph) und werden auch Reich-Moore
genannt" (Brockhaus 1991, Bd. 15, p. 89; siehe
auch Strasburger: Lehrbuch der Botanik 1998)." 1 2/ 1 3
Und im Jahre 2010 wurden zu den Standorten der Gattung Utricularia weiter folgende Punkte hervorgehoben:
"Dazu ergänzend die Charakterisierung der Standorte der sechs von
sieben in Deutschland heimischen Arten, zitiert nach
Casper und Krausch (1980) (Hervorhebungen im Schriftbild
wieder von mir):
U. vulgaris L.:
Vorkommen in "Altwassern, Weihern, Teichen, Tümpeln, Gräben,
Torfstichen, Kiesgruben und Schlenken." "...vorzugsweise über
Humus-Gyttja-Böden ["Halbfaulböden"] in kalkarmem bis kalkreichem ... meso- bis eutrophem Wasser ...; ... eine gewisse Eutrophierung ertragend und an derartigen, von Viehweiden, Viehställen und Abwassereinleitungen beeinflussten, ammoniumreichen Standorten besonders üppig und großschläuchig, bei stärkerer Wasserverschmutzung jedoch verschwindend;" U. vulgaris f. platyloba GLÜCK: ... meist ohne Schläuche oder mit Schlauchrudimenten" (vgl. die
Kümmerform bei U. australis)."
Und eutroph heißt nährstoffreich.
"Eutroph bedeutet nährstoffreich, z. B. eutrophe Seen, im Gegensatz zu nährstoffarmen, oligotrophen Seen." 1 4
Mesotroph heißt "mittleres Nährstoffangebot". 1 5
Und was verstehen wir unter Gyttja? Antwort:
"Gyttja (auch Grauschlammboden oder Mudde genannt) ist ein subhydrischer Boden (Unterwasserboden) in gut durchlüfteten nährstoffreichen Gewässern bzw. entsteht bei längerfristiger bis ganzjähriger Überflutung/Überstauung.
Der graue bis grauschwarze organismenreiche Schlamm besteht aus feinem mineralischem Material, das stark mit organischen Stoffen durchsetzt ist, die durch weitgehenden Abbau pflanzlicher und tierischer Stoffe entstanden
sind. Sie werden bei der Verlandung (oder auch Aggradation genannt) gebildet."16
Kann also von "extrem stickstoffarmen" Lebensräumen wirklich die Rede sein? Schon in dem "für
den fachlich nicht vorgebildeten Pflanzenfreund" 1 7 weit verbreiteten Werk Was blüht denn da? (51. Auflage) von Aichele und Golte-Bechle lesen wir 1988, p. 216 zum Thema "Standort
und Verbreitung" (SV) von Utricularia vulgaris:
"Schwimmpflanzenbestand stehender Gewässer; liebt nährstoffreiche, aber kalkarme Gewässser; zerstreut; an seinen Standorten oft in größeren
Beständen."
Und das ist nicht etwa eine Ausnahme. In der 56. Auflage 1997, p. 228, heißt
es: "Liebt basen- und stickstoffsalzhaltige, kalkarme Gewässer". Siehe auch den Text zum Fotoband von Dietmar
Aichele, 2. Auflage 1994, p. 243 ("liebt nährstoffreiche, aber kalkarme, warme Gewässer").
Ähnlich bemerken Aichele und Schwegler in ihrem 5-bändigem Werk Die Blütenpflanzen Mitteleuropas 2000, p. 194, Band 4 (Studienausgabe März 2008), zum Gewöhnlichen
Wasserschlauch: "Vorkommen: Braucht kalkarme,
aber nährstoffreiche, moorige Gewässer. Besiedelt den Schwimmpflanzengürtel stehender
oder langsam fließender Gewässer. Im Tiefland,
im Alpenvorland und in den Altwasserbereichen der
größeren Flüsse zerstreut, sonst
nur selten, größeren Gebieten fehlend."
Vgl. auch Stichmann und Stichmann-Marny 2005/2009, p. 646, zu U. vulgaris (Vorkommen "im Schwimmpflanzengürtel kalkarmer, aber nährstoffreicher Gewässer"), sowie den BLV Pflanzenführer von Schauer und Caspari
4. Aufl. 2010, p. 158 ("meist nährstoffreiche Gewässer") 1 8.
Eine ausführliche Studie wäre vielleicht hilfreich, um uns zeigen,
an welchen extrem stickstoffarmen Biotopen Utricularia vulgaris alles nicht vorkommt (generell nicht in Hochmooren!). Nur für die wesentlich seltenere U. intermedia vermerken Aichele und Schwegler 2000, p. 194, auch "nährstoffarme
Gewässer", aber sie "besiedelt [hauptsächlich]
Schlenken in Flach- und Zwischenmooren" und
kommt damit auch in nährstoffreichen Gewässern
vor. Caspar und Krausch (1980) führen zu U. intermedia Hayne folgende Punkte auf: Vorkommen in "Moorschlenken, Moortümpeln,
Torfstichen und Moorgräben, vor allem im Bereich von Zwischenmooren, ..." " ...
in mäßig nährstoffreichem, mesotrophem Wasser über Torfschlamm oder Humus- und Kalkgyttja;" (übrigens werden
von den mir bislang bekannten Autoren zu keiner einzigen
der mitteleuropäischen Arten ein "extrem
stickstoffarmer Lebensraum" vermerkt). Zur weiteren
Frage, inwieweit es tatsächlich vor allem um
Stickstoff-Verbindungen geht und die Kosten der Karnivorie,
siehe W-EL 2010, pp. 19/20 (wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf ).
Zu Kutscheras Punkt [b] "praktisch ohne Konkurrenz": Vgl. dazu W-EL 2010, p. 20 ff. 1 9: Dort habe ich eine Serie von Begleitpflanzen ("Konkurrenten") von Utricularia vulgaris wie folgt aufgeführt:
"Die Dreifurchige Wasserlinse (Lemna trisulca), die Kleine Wasserlinse (L. minor), die Vielwurzelige Teichlinse (Spirodela polyrhiza), der Froschbiss (Hydrocharis morsusranae), die Steifborstige Armleuchteralge (Chara hispida ssp. rudis), die Vielstachlige Armleuchteralge (C. aculeolata [Syn. C. pedunculata], ssp. papillosa), die Krebsschere (Stratiotes aloides), die Gelbe Teichrose (Nuphar lutea), die Weiße Seerose (Nymphea alba), der Tannenwedel (Hippuris vulgaris), das Quirlige Tausendblatt (Myriophyllum verticillatum), das Ährige Tausendblatt (M. spicatum), das Schwimmende Laichkraut (Potamogeton natans), das Grasblättrige Laichkraut (P. gramineus), das Rauhe Hornbblatt (Ceratophyllum demersum) und – vor allem weltweit gesehen – noch viele andere (vgl. zu den Pflanzengesellschaften
z. B. Casper in Hegi 1975, Slobodda 1988, Runge 1990,
siehe auch Lang und Walentowski 2007: Handbuch der
Lebensraumtypen."
Und auf der Seite 25 wurden darüber hinaus folgenden Familien zum Thema Begleitpflanzen ("Konkurrenten") genannt (nicht vollständige
Liste nach Dr. D. Jäger, einem Feldbotaniker
mit umfangreichen eigenen Untersuchungen 2010):
"Chlorophyta (Grünalgen): Characeae; Bryopsida (Moose): Sphagnaceae: Sphagnum; Sphenopsida (Schachtelhalmgewächse): Equisetaceae; Angiospermen (bedecksamige Blütenpflanzen): Monocotyledoneae (Einkeimblättrige): Poaceae, Cyperaceae, Juncaceae, Typhaceae, Potamogetonaceae, Najadaceae,
Zannichelliaceae, Alismataceae, Hydrocharitaceae,
Lemnaceae, Iridaceae, (Orchidaceae); Dicotyledoneae
(Zweikeimblättrige): Polygonaceae, Nymphaeaceae, Ceratophyllaceae, Ranunculaceae, Brassicaceae,
Haloragaceae, Hippuridaceae, Apiaceae."
Zu [c] "...im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses", und zwar als Anpassungsgeschehen: In dieser Formulierung Kutscheras
stecken mehrere unbewiesenen Voraussetzungen der
Synthetischen Evolutionstheorie, die er selbst wie
folgt beschrieben hat:
"Die Makroevolution (transspezifische Evolution) ist aus zahlreichen kleinen Mikroevolutionsschritten zusammengesetzt (additive Typogenese)" – Kutschera 2001, p. 250. Oder: "Unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte haben im Verlauf der Jahrmillionen zu großen Abwandlungen in der Körpergestalt
der Organismen geführt (Makroevolution, Konzept der additiven Typogenese)" – Kutschera 2006, p. 204.
Darwin hatte vor 150 Jahren die Grundlage für diese Kontinuitätstheorie
geliefert, indem er die hypothetische Evolution auf
die Akkumulation von “innumerable slight variations” zurückführte, auf “extremely slight variations” und “infinitesimally small inherited variations” (und wiederum spricht er ganz ähnlich auch
von “infinitesimally small changes”, “infinitesimally
slight variations” und “slow degrees”) und so für
die Evolution “steps not greater than those separating
fine varieties”,”insensibly fine steps” und “insensibly
fine gradations” postulierte, “for natural selection
can act only by taking advantage of slight successive
variations; she can never take a leap, but must advance by the shortest and slowest steps” oder “the transition [between
species] could, according to my theory, be effected
only by numberless small gradations” (Zitate ergänzt 7. 11. 2008; Schriftbild von mir, vgl. http://darwin-online.org.uk/ ).
Wir haben soeben gesehen, dass die Aussagen [a] und [b] auch nach neodarwinistischen
Voraussetzungen nicht zutreffen. Woher "weiß" UK
nun, dass [c] "ein jahrmillionenlanger Evolutionsprozess" als Anpassungsgeschehen zum Fangmechanismus Utricularias geführt hat? Wie soll z. B. durch einen jahrmillionenlangen Evolutionsprozess
die Falle von Utricularia über "unzählige aufeinanderfolgende kleine Mikroevolutionsschritte" wasserdicht geworden sein? Oder, um auf meinen Vorschlag zurückzukommen: Welche direkt
testbaren Hypothesen zur Evolution Utricularias hat uns UK mit seiner Behauptung vom jahrmillionenlangen Evolutionsprozess nun vorgelegt? Und wie könnte er die nach Robert Nachtwey viel zitierten
und ausführlich diskutierten Einwände mit
diesem Ansatz erklären?
Zur Erinnerung:
"Welche richtungslose Mutation soll im normalen Blattzipfel [oder Blattgrund] zuerst erfolgt sein und dann irgendeinen Auslesewert gehabt haben? Hatte sie diesen nicht, so ging sie als belanglos verloren. Ausdrücklich
betonen die Darwinisten, dass Mutation und Selektion
zusammenwirken müssen, wenn etwas Neues entstehen
soll." [Etc. siehe Punkte 68, 71, 112 ff.] … [S]elbst
eine vollkommene Kastenfalle mit der erstaunlichsten
Fähigkeit, blitzschnell Tiere zu erbeuten, hätte
ohne Verdauungssäfte nicht den geringsten Wert
im Daseinskampf, weil die Beute nicht verdaut würde. Was aber soll es andererseits einem gewöhnlichen Blattzipfel [oder "a simple open trap"] nützen, wenn er noch so wirksame Verdauungssäfte ausscheidet, er
kann ja die Beute nicht festhalten, was unbedingt
nötig ist. … Die gelösten Eiweißstoffe müssen ja auch aufgesogen und in
arteigenes Pflanzeneiweiß verwandelt werden. … Die Bildung des Wasserschlauchbläschens erfordert also das vollendet harmonische Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Gene und Entwicklungsfaktoren. Erst mit dem Endeffekt wird der Nutzen für den Daseinskampf erreicht,
nicht aber mit irgendeiner Entwicklungsstufe" (von Nachtwey kursiv).
Ich möchte zum Thema Anpassung zunächst auch wieder an ein Wort von
Thure von Uexküll erinnern:
"Hinter der Art und Weise, wie der Begriff 'Anpassung'...verwendet wird,
steckt eine Philosophie, die von der Annahme ausgeht,
die Lebewesen hätten sich zu Beginn in einer
Welt befunden, für die sie nicht ausgerüstet
waren und an die sie sich erst im Laufe einer unendlich
langen Entwicklungsgeschichte hätten anpassen
müssen."
Nach Kutscheras Ansatz und Vorstellungen trifft genau das auf Utricularia zu. Die Gattung (bzw. ihre angenommenen Vorläufer) war(en) zunächst
an ihre zukünftige Umwelt ("extrem stickstoffarmer
Lebensraum") nicht angepasst gewesen und hätten sich erst "im Verlauf eines jahrmillionenlangen
Evolutionsprozesses" durch "unzählige
aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte" (insbesondere
zur Bildung des komplexsynorganisierten Fangapparats)
daran anpassen müssen.
Wie sollen die vielen Zwischenstufen ausgesehen und welchen Selektionswert sollen
sie gehabt haben? Vgl. zu dieser immensen Problematik ausführlich wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf .
Sehen wir uns die Umwelt des Wasserschlauchs noch einmal etwas genauer an:
U. vulgaris L.:
Vorkommen in "Altwassern, Weihern, Teichen, Tümpeln, Gräben,
Torfstichen, Kiesgruben und Schlenken." "...vorzugsweise über
Humus-Gyttja-Böden ["Halbfaulböden"] in kalkarmem bis kalkreichem ... meso- bis eutrophem Wasser ...; ... eine gewisse Eutrophierung ertragend und an derartigen, von Viehweiden, Viehställen und Abwassereinleitungen beeinflussten, ammoniumreichen Standorten besonders üppig und großschläuchig, bei stärkerer Wasserverschmutzung jedoch verschwindend;"
Woran hätte sich also Utricularia vulgaris tatsächlich anpassen müssen? Musste sie sich überhaupt an etwas "anpassen" (von
dem wässrigen Milieu einmal abgesehen)? Wie
haben sich die zahlreichen oben aufgeführten
Konkurrenten an den gleichen Lebensraum angepasst?
Und sollen die vielen zusammen mit Utricularia vulgaris vorkommenden Arten in ihrem angenommenen Anpassungsprozess alle genau gleich
weit fortgeschritten sein?
Uexküll fährt fort:
"Nach dieser Vorstellung wären schließlich alle Leistungen und
Reaktionen lebender Wesen durch Anpassung entstanden. Denkt man diese Vorstellung konsequent zu Ende, dann hätten die Lebewesen
der ersten Zeiten noch nicht über Reaktionen
verfügt, die in irgendeiner Weise sinnvolle
Antworten auf die Außenwelt bedeuteten. Es ist aber außerordentlich unwahrscheinlich, daß Tiere, Pflanzen
oder auch Einzeller in einer Umgebung, mit der sie
nicht das Geringste anfangen können, am Leben
bleiben und Zeit haben, Anpassungsleistungen zu vollziehen. Ein Fisch, der aufs Land gerät, paßt sich der neuen Umgebung nicht
an, sondern geht zugrunde. ...Wir kennen keine Anpassung, die von einem Zustand primärer Unordnung
zu einem Zustand der Ordnung führt" (kursiv
von mir)."
Bevor wir auf diese Frage unten zurückkommen wollen wir uns noch kurz dem
von UK gebrauchten Begriff der Blatt-Metamorphose
zuwenden:
[d] Blatt-Metamorphose: Mit Johann Wolfgang von Goethe (1790) stammt der Begriff Metamorphose aus der
idealistischen Morphologie (Schlagwort: "alles
ist Blatt"), die damit nicht notwendigerweise
irgendwelche Abstammungshypothesen impliziert. Siehe
zu dieser Thematik meinen Beitrag Goethe, Sex and Flower Genes in The Plant Cell (1994) und die Arbeiten Wilhelm Trolls (1984).
Troll hat seine Auffassung zu deszendenztheoretischen Fragen in Verbindung mit
der "Urpflanze" wie folgt formuliert (zitiert
nach Zimmermann 1953, p. 487):
Es ist "ein vollkommenes Missverständnis, wollte man die Frage nach
der Urpflanze mit deszendenztheoretischen Vorstellungen
verbinden. Die Urpflanze ist keineswegs die Stammform
der höheren Gewächse im Sinne der Phylogenetik.
Von einer solchen Urform ist uns nichts bekannt;
und selbst wenn dies der Fall wäre, hätte
sie doch nur historisches Interesse."
In meiner ersten Staatsexamensarbeit (1971) hatte ich im Rahmen des Kapitels
XI Trolls "Metaphysik" und zur "Metaphysik" überhaupt (pp. 117131) Folgendes angemerkt: "Von welchem Interesse ist sie [die
Urpflanze] sonst, wenn nicht als Gedanke der Schöpfung,
als Grundbauplan, nach welchen die Angiospermen ins
Dasein gerufen worden sind" (p. 121).
Der Begriff "Blatt-Metamorphose" beinhaltet also ursprünglich
und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein intelligentes
Design, er wird jedoch von UK ohne naturwissenschaftliche
Begründung nur im materialistischen Sinne gebraucht
("unzählige aufeinander folgende kleine
Mikroevolutionsschritte", die "im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses" dazu
geführt haben sollen, werden als Ursache zusammen
mir der Selektion nur behauptet, d. h. die Unterschiede
werden nur so interpretiert, aber keineswegs bewiesen,
denn gemäß UKs eigenen Ausführungen
oben ist es "bis heute ungeklärt ..., wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze
im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind" – siehe oben).
(3) UK: "Neben den normalen, der Photosynthese dienenden Laubblättern werden
zum Einfangen kleiner Tierchen (Insektenlarven, Krebschen) umgestaltete Spezialorgane ausgebildet. Diese Fangblasen oder Saugfallen entwickeln sich
während der Ontogenese aus Blattanlagen. Über
das Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere, die weitgehend
aus stickstoffreichen Proteinen aufgebaut sind, deckt der Wasserschlauch in diesem speziellen Lebensraum seinen
Bedarf am Mangelelement N und gewinnt außerdem verschiedene Ionen (Friday 1989)."
Machen wir uns den Gedankengang Kutscheras noch einmal im Detail bewusst: Laubblätter
sollen sich also als Anpassungsprozess an einen "extrem stickstoffarmen Lebensraum" (in dem U. vulgaris gar nicht gedeiht) in die Spezialorgane der synorgansiert-komplexen Saugfallen "praktisch ohne Konkurrenz" (siehe dagegen die zahlreichen oben aufgeführten Spezies und Pflanzenfamilien
der Begleitpflanzen und "Konkurrenten") "im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses" (der als Transformationsprozess weder fossil noch sonswie überliefert ist,
nachweisbar sind nur die 'fertigen' living fossils) durch "unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte" (durch ('Mikro'-)Mutationen, die in den meisten Fällen überhaupt keinen
Selektionsvorteil gehabt hätten) eine "spezielle Blatt-Metamorphose" (ein Begriff der idealistischen Morphologie, der Design beinhaltet) entwickelt ("entwickelt" ohne Ziel (telos), Sinn und Plan) bzw. "umgestaltete Spezialorgane" ausgebildet haben. 2 0
Um weiter Uexkülls Einwand auf Kutscheras Vorstellungen anzuwenden: Denkt man diese Vorstellung konsequent zu Ende, dann hätten die Vorfahren
Utricularias noch nicht über Reaktionen verfügt,
die in irgendeiner Weise sinnvolle Antworten auf
diesen extrem stickstoffarmen Lebensraum bedeuteten. Es ist aber außerordentlich unwahrscheinlich, dass Pflanzen in einer
Umgebung, mit der sie nicht das Geringste anfangen
können, am Leben bleiben und Zeit haben, Anpassungsleistungen
zu vollziehen.
Natürlich werden die Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie jetzt
einwenden (alle falschen bzw. unbewiesenen Voraussetzungen
einmal als richtig angenommen), dass das ja ein langsamer Anpassungsprozess an immer stickstoffärmere Biotope gewesen sei. Zu bedenken ist jedoch nach
UKs eigener Aussage, dass der Wasserschlauch durch
'das Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere, die weitgehend
aus stickstoffreichen Proteinen aufgebaut sind, in
diesem speziellen Lebensraum seinen Bedarf am Mangelelement
N deckt und außerdem verschiedene Ionen gewinnt
(Friday 1989)'.
Solange das "Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere" jedoch noch nicht
richtig funktionierte – wir müssen bei den postulierten 'unzähligen aufeinander folgenden
kleinen Mikroevolutionsschritten' selbstverständlich
von zahlreichen sehr unvollkommenen (oder in dieser
Hinsicht praktisch noch gar nicht funktionierenden)
Zwischenformen ausgehen – wie sollten dann die Utricularia-Vorfahren in Konkurrenz mit den vielen weiteren
Pflanzenspezies (siehe wieder die Aufführung der Arten und Familien oben) zunächst ohne vergleichbar gut funktionierende Anpassungen an die neue
Umwelt überlebt haben? Hätten sie sich
jedoch in ähnlicher Weise wie die Begleitpflanzen
ohne Karnivorie an einen "extrem stickstoffarmen
Lebensräum" angepasst und überlebt – wozu wäre dann noch die Entwicklung der komplex-synorganisierten Fangapparate
selektionstheoretisch notwendig gewesen? Sie überleben
damit ja keineswegs besser als die vielen anderen
Arten der Begleitpflanzen unterschiedlichster Differenzierungshöhe – von Algen, Moosen, Farnen bis zu den zahlreichen nicht karnivoren Angiospermen.
Siehe dazu auch noch einmal Nachtweys Einwände
Zu den unzähligen kleinen Mikroevolutionsschritten durch Mutationen mit "slight
or invisible effects on the phenotype" (Mayr),
die in den meisten Fällen überhaupt keinen
Selektionswert gehabt hätten, vgl. wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf , pp. 46/47 und 101/102. Der Polymerchemiker Bruno Vollmert hat diesen Punkt übrigends
schon vor Jahren im Detail diskutiert und überzeugend
dargelegt (vgl. Vollmert 1985).
12 Solche naturwissenschaftlichen
Tatsachen kann man natürlich auch nicht weiter dulden,
geschweige denn überhaupt erst zur Kenntnis
nehmen und schon gar nicht im Namen der Wissenschaft.
13 http://www.weloennig.de/Wasserschlauch.html
14 http://www.umweltdatenbank.de/lexikon/eutroph.htm
"Eutroph
(Trophiestufe III): Eutroph sind Gewässer
mit guter Nährstoffzufuhr
und daher guter organischer Produktion. Das Hypolimnion
eutropher Gewässer ist im Sommer sehr sauerstoffarm,
das Epilimnion dagegen übersättigt
mit Sauerstoff. Das Plankton ist sehr arten-
und individuenreich. Eutrophe Gewässer sind
in der Regel trüb mit Sichttiefen unter
ein Meter. Der Grund des Gewässers ist mit
einer anaeroben Faulschlammschicht bedeckt, die
massenhaft mit Schlammrohrwürmern und Zuckmückenlarven
besiedelt sind. Aus dieser Schicht diffundieren
während der Wasserzirkulation im Herbst
Eisenphosphate aus und tragen zu einer schnellen
Eutrophierung des Gewässers bei. Im Sommer
tritt häufig Wasserblüte auf, so dass
das Wasser meist grünlich bis gelbbraun
gefärbt ist. Die Sichttiefe liegt in der
Regel unter zwei Metern und die Sauerstoffsättigung
am Ende der Sommerstagnation unter 30%." http://www.bioboard.de/topic,555,-definitioneutroph-und-oligotroph.
15 Mesotroph werden Gewässer
genannt, die sich in einem Übergangsstadium
von der Oligotrophie zur Eutrophie befinden.
Der Nährstoffgehalt
ist höher und Licht kann noch in tiefere
Wasserschichten eindringen. Mit zunehmender Dichte
des Phytoplanktons ändert sich die Eindringtiefe
des Lichtes. Die Sichttiefe beträgt noch
mehr als zwei Meter und die Sauerstoffsättigung
am Ende der Sommerstagnation zwischen 30 und
70%. Die Phosphatfalle bleibt wirksam." http://de.wikipedia.org/wiki/Trophiesystem
16 http://de.wikipedia.org/wiki/Gyttja
17 Seite 6.
18 Vgl auch das inzwischen klassische
Werk von A. Garcke, Illustrierte Flora, 23.,
völlig
neu gestaltete Auflage (K. von Weihe (Hg.))
1972, p. 1339 ("Laichkrautges., Teichrosenbestände,
Teiche, Sümpfe, Gräben; stehende, od.
langsam fließende, nährstoffreichere
Gewässer.")
19 http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf
Dort weitere Fakten und Ausführungen, insbesondere
auch zu den Kosten der Karnivorie.
20 Erinnern
wir uns an UKs schon oben zitierte Worte: "Phantasy
ist jedoch nicht gleich Reality: die Erstere
entspringt den Hirnwindungen eines individuellen
Menschen, während die
Letztere auch außerhalb unseres Großhirns,
d. h. in der Wirklichkeit, existiert." "Irrationale
Glaubenssätze, die etablierten wissenschaftlichen
Fakten widersprechen, sitzen jedoch nicht selten
so tief, dass man durch sachliche Aufklärung
bei derart ideologisch geprägten Menschen
keinen Gesinnungswandel herbeiführen kann."
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