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(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Dr. W-E Lönnig)

Wolf-Ekkehard Lönnig:

Last Update 5. August 2010: neu ist der Teil 2 ab p. 113 (frühere Updates zum ersten Teil siehe p. 112).
Einige zumeist kleinere orthographische Korrekturen am 13. 12. 2011.

"Die Affäre Max Planck", die es nie gegeben hat

Diffamierungspolitik, weltanschauliche Motivation und (Berufsverbots-)Ziel der AG Evolutionsbiologie

Teil 2

Einige Ergänzungen und Literaturangaben zu beiden Teilen


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Teil II / 2 von 4 ab Seite 116

Die Erklärungen von Ulrich Kutschera in seinem Buch
“Streitpunkt Evolution“ (2004/2007) zur Evolution des

Fangmechanismus von
Utricularia vulgaris (Wasserschlauch)

Zunächst zitiert mich Ulrich Kutschera auf der Seite 104 seines Buches zum Thema Utricularia unter anderem wie folgt:

“Nun möchte ich Herrn Kutschera zunächst einmal bitten, uns mit diesem Ansatz testbare Hypothesen zu den auf meiner Homepage diskutierten Beispielen von Utricularia (der Wasserschlauch) ... oder anderen Synorganisationsphänomenen vorzulegen.“

Schauen wir also nach, ob UK uns mit seinem Ansatz irgendwelche testbaren Hypothesen vorgelegt hat. Auf den Seiten 288 bis 290 lesen wir nach einigen ZEIT- und weiteren Zitaten (alle farbigen Hervorhebungen im Schriftbild wieder von mir):

(1) UK: “Eine Analogiebetrachtung "Lebenskräfte/Intelligente Designer" führt uns zu der in Kapitel 7 aufgeworfenen Frage nach dem Wasserschlauch (Utricularia vulgaris, s. S. 230). In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit (30. April 2003) habe ich gesagt, der Wasserschlauch gehöre gerade wegen seiner speziellen Anpassungen zu den Paradebeispielen für die Kräfte der Evolution. Dieser Satz wird von den deutschen "Theo-Biologen" besonders heftig attackiert, da es bis heute ungeklärt ist, wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind. Warum ist der Wasserschlauch dennoch ein klarer Beleg für die "richtungsgebenden Kräfte" der Evolution?"
(1) W-EL: Damit räumt Kutschera im Gegensatz zu Neukamm (2009) vernünftigerweise und unmissverständlich ein, dass es "bis heute ungeklärt ist, wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind". Die behauptete Evolution ist bisheute nicht testbar. Und diese Aussage ist in voller Übereinstimmung mit den wissenschaftlich begründeten Feststellungen fast aller Forscher, die sich jemals mit dieser Frage genauer beschäftigt haben (vgl. die Ausführungen dazu bei W-EL 2010, pp. 11/12 wieder unter http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf ).

UK fährt fort:

(2) UK: "Utricularia vulgaris ist eine fleischfressende (carnivore) Unterwasserpflanze, die in nährstoffarmen Tümpeln, Teichen und Seen Europas angetroffen werden kann. Die wurzellose, frei im Wasser umherdriftende Pflanze kann in diesem speziellen, [a] extrem stickstoffarmen Lebensraum [b] praktisch ohne Konkurrenz überleben und sich fortpflanzen, weil sie [c] im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses eine [d] spezielle Blatt-Metamorphose entwickelt hat."

(2) W-EL: Zum Thema [a] des "extrem stickstoffarmen Lebensraums" war auf der von UK mit Hilfe weiteren Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie gesperrten Institutshomepage u. a. Folgendes zu lesen ein Punkt, den ich in der Utricularia-Arbeit von 2010/2011 mit dem Hinweis auf eines des häufigsten Missverständnisse eingeleitet habe:

"Zur Veranschaulichung der häufigsten Missverständnisse greife ich auf die frühere Diskussion mit MN zurück, in der er davon ausging, dass Utricularia in "nährstoffarmen Flachmooren" vorkommt, worauf ich ihn auf folgende Punkte aufmerksam machte:"

"Flachmoore sind im Gegensatz zu Hochmooren in der Regel nährstoffreich:

"Die F l a c h m o o r e setzten sich entsprechend ihrer Bildung in nährstoffreichem Wasser vorwiegend aus nährstoffreichen Torfarten zusammen. Auch als Vegetationsdecke der Flachmoore finden sich heute anspruchsvolle Pflanzenvereinigungen. Der Kalkgehalt der Flachmoore beträgt über 2%, häufig sogar über 4% der Trockensubstanz. Ferner zeichnen sich die Flachmoore durch hohen Stickstoffgehalt aus, der sie in landwirtschaftlicher Beziehung zu besonders wertvollen Kulturböden macht. Nach erfolgter Entwässerung zersetzen sich die oberen Moorschichten ziemlich rasch, das Moor "vererdet" gut..Im Gegensatz dazu setzen sich die Hochmoore aus den als nährstoffarm gekennzeichneten Torfarten zusammen. Auch der Kalkgehalt ist…gering, meist unter 0,2%. Im Naturzustand sind die Hochmoore oft dicht mit anspruchlosen Holzgewächsen und Heidekraut bestanden, die auf dem nährstoffarmen Standort noch ihr Fortkommen finden. Die landwirtschaftliche Nutzung der Hochmoore setzt die Zuführung der fehlenden Nährstoffe voraus" (O. Heuser: Der Kulturboden, seine Charakteristik und seine Einteilung; 1931, p. 26; E. Blanck (Hrsg): Handbuch der Bodenkunde, Bd. VIII; Springer).

Flachmoore "sind meist nährstoffreich (eutroph) und werden auch Reich-Moore genannt" (Brockhaus 1991, Bd. 15, p. 89; siehe auch Strasburger: Lehrbuch der Botanik 1998)." 1 2/ 1 3

Und im Jahre 2010 wurden zu den Standorten der Gattung Utricularia weiter folgende Punkte hervorgehoben:

"Dazu ergänzend die Charakterisierung der Standorte der sechs von sieben in Deutschland heimischen Arten, zitiert nach Casper und Krausch (1980) (Hervorhebungen im Schriftbild wieder von mir):

U. vulgaris L.:

Vorkommen in "Altwassern, Weihern, Teichen, Tümpeln, Gräben, Torfstichen, Kiesgruben und Schlenken." "...vorzugsweise über Humus-Gyttja-Böden ["Halbfaulböden"] in kalkarmem bis kalkreichem ... meso- bis eutrophem Wasser ...; ... eine gewisse Eutrophierung ertragend und an derartigen, von Viehweiden, Viehställen und Abwassereinleitungen beeinflussten, ammoniumreichen Standorten besonders üppig und großschläuchig, bei stärkerer Wasserverschmutzung jedoch verschwindend;" U. vulgaris f. platyloba GLÜCK: ... meist ohne Schläuche oder mit Schlauchrudimenten" (vgl. die Kümmerform bei U. australis)."

Und eutroph heißt nährstoffreich.

"Eutroph bedeutet nährstoffreich, z. B. eutrophe Seen, im Gegensatz zu nährstoffarmen, oligotrophen Seen." 1 4

Mesotroph heißt "mittleres Nährstoffangebot". 1 5

Und was verstehen wir unter Gyttja? Antwort:

"Gyttja (auch Grauschlammboden oder Mudde genannt) ist ein subhydrischer Boden (Unterwasserboden) in gut durchlüfteten nährstoffreichen Gewässern bzw. entsteht bei längerfristiger bis ganzjähriger Überflutung/Überstauung. Der graue bis grauschwarze organismenreiche Schlamm besteht aus feinem mineralischem Material, das stark mit organischen Stoffen durchsetzt ist, die durch weitgehenden Abbau pflanzlicher und tierischer Stoffe entstanden sind. Sie werden bei der Verlandung (oder auch Aggradation genannt) gebildet."16

Kann also von "extrem stickstoffarmen" Lebensräumen wirklich die Rede sein? Schon in dem "für den fachlich nicht vorgebildeten Pflanzenfreund" 1 7 weit verbreiteten Werk Was blüht denn da? (51. Auflage) von Aichele und Golte-Bechle lesen wir 1988, p. 216 zum Thema "Standort und Verbreitung" (SV) von Utricularia vulgaris:

"Schwimmpflanzenbestand stehender Gewässer; liebt nährstoffreiche, aber kalkarme Gewässser; zerstreut; an seinen Standorten oft in größeren Beständen."

Und das ist nicht etwa eine Ausnahme. In der 56. Auflage 1997, p. 228, heißt es: "Liebt basen- und stickstoffsalzhaltige, kalkarme Gewässer". Siehe auch den Text zum Fotoband von Dietmar Aichele, 2. Auflage 1994, p. 243 ("liebt nährstoffreiche, aber kalkarme, warme Gewässer").

Ähnlich bemerken Aichele und Schwegler in ihrem 5-bändigem Werk Die Blütenpflanzen Mitteleuropas 2000, p. 194, Band 4 (Studienausgabe März 2008), zum Gewöhnlichen Wasserschlauch: "Vorkommen: Braucht kalkarme, aber nährstoffreiche, moorige Gewässer. Besiedelt den Schwimmpflanzengürtel stehender oder langsam fließender Gewässer. Im Tiefland, im Alpenvorland und in den Altwasserbereichen der größeren Flüsse zerstreut, sonst nur selten, größeren Gebieten fehlend."

Vgl. auch Stichmann und Stichmann-Marny 2005/2009, p. 646, zu U. vulgaris (Vorkommen "im Schwimmpflanzengürtel kalkarmer, aber nährstoffreicher Gewässer"), sowie den BLV Pflanzenführer von Schauer und Caspari 4. Aufl. 2010, p. 158 ("meist nährstoffreiche Gewässer") 1 8.

Eine ausführliche Studie wäre vielleicht hilfreich, um uns zeigen, an welchen extrem stickstoffarmen Biotopen Utricularia vulgaris alles nicht vorkommt (generell nicht in Hochmooren!). Nur für die wesentlich seltenere U. intermedia vermerken Aichele und Schwegler 2000, p. 194, auch "nährstoffarme Gewässer", aber sie "besiedelt [hauptsächlich] Schlenken in Flach- und Zwischenmooren" und kommt damit auch in nährstoffreichen Gewässern vor. Caspar und Krausch (1980) führen zu U. intermedia Hayne folgende Punkte auf: Vorkommen in "Moorschlenken, Moortümpeln, Torfstichen und Moorgräben, vor allem im Bereich von Zwischenmooren, ..." " ... in mäßig nährstoffreichem, mesotrophem Wasser über Torfschlamm oder Humus- und Kalkgyttja;" (übrigens werden von den mir bislang bekannten Autoren zu keiner einzigen der mitteleuropäischen Arten ein "extrem stickstoffarmer Lebensraum" vermerkt). Zur weiteren Frage, inwieweit es tatsächlich vor allem um Stickstoff-Verbindungen geht und die Kosten der Karnivorie, siehe W-EL 2010, pp. 19/20 (wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf ).

Zu Kutscheras Punkt [b] "praktisch ohne Konkurrenz": Vgl. dazu W-EL 2010, p. 20 ff. 1 9: Dort habe ich eine Serie von Begleitpflanzen ("Konkurrenten") von Utricularia vulgaris wie folgt aufgeführt:

"Die Dreifurchige Wasserlinse (Lemna trisulca), die Kleine Wasserlinse (L. minor), die Vielwurzelige Teichlinse (Spirodela polyrhiza), der Froschbiss (Hydrocharis morsusranae), die Steifborstige Armleuchteralge (Chara hispida ssp. rudis), die Vielstachlige Armleuchteralge (C. aculeolata [Syn. C. pedunculata], ssp. papillosa), die Krebsschere (Stratiotes aloides), die Gelbe Teichrose (Nuphar lutea), die Weiße Seerose (Nymphea alba), der Tannenwedel (Hippuris vulgaris), das Quirlige Tausendblatt (Myriophyllum verticillatum), das Ährige Tausendblatt (M. spicatum), das Schwimmende Laichkraut (Potamogeton natans), das Grasblättrige Laichkraut (P. gramineus), das Rauhe Hornbblatt (Ceratophyllum demersum) und – vor allem weltweit gesehen – noch viele andere (vgl. zu den Pflanzengesellschaften z. B. Casper in Hegi 1975, Slobodda 1988, Runge 1990, siehe auch Lang und Walentowski 2007: Handbuch der Lebensraumtypen."

Und auf der Seite 25 wurden darüber hinaus folgenden Familien zum Thema Begleitpflanzen ("Konkurrenten") genannt (nicht vollständige Liste nach Dr. D. Jäger, einem Feldbotaniker mit umfangreichen eigenen Untersuchungen 2010):

"Chlorophyta (Grünalgen): Characeae; Bryopsida (Moose): Sphagnaceae: Sphagnum; Sphenopsida (Schachtelhalmgewächse): Equisetaceae; Angiospermen (bedecksamige Blütenpflanzen): Monocotyledoneae (Einkeimblättrige): Poaceae, Cyperaceae, Juncaceae, Typhaceae, Potamogetonaceae, Najadaceae, Zannichelliaceae, Alismataceae, Hydrocharitaceae, Lemnaceae, Iridaceae, (Orchidaceae); Dicotyledoneae (Zweikeimblättrige): Polygonaceae, Nymphaeaceae, Ceratophyllaceae, Ranunculaceae, Brassicaceae, Haloragaceae, Hippuridaceae, Apiaceae."

Zu [c] "...im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses", und zwar als Anpassungsgeschehen: In dieser Formulierung Kutscheras stecken mehrere unbewiesenen Voraussetzungen der Synthetischen Evolutionstheorie, die er selbst wie folgt beschrieben hat:

"Die Makroevolution (transspezifische Evolution) ist aus zahlreichen kleinen Mikroevolutionsschritten zusammengesetzt (additive Typogenese)" – Kutschera 2001, p. 250. Oder: "Unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte haben im Verlauf der Jahrmillionen zu großen Abwandlungen in der Körpergestalt der Organismen geführt (Makroevolution, Konzept der additiven Typogenese)" – Kutschera 2006, p. 204.

Darwin hatte vor 150 Jahren die Grundlage für diese Kontinuitätstheorie geliefert, indem er die hypothetische Evolution auf die Akkumulation von “innumerable slight variations” zurückführte, auf “extremely slight variations” und “infinitesimally small inherited variations” (und wiederum spricht er ganz ähnlich auch von “infinitesimally small changes”, “infinitesimally slight variations” und “slow degrees”) und so für die Evolution “steps not greater than those separating fine varieties”,”insensibly fine steps” und “insensibly fine gradations” postulierte, “for natural selection can act only by taking advantage of slight successive variations; she can never take a leap, but must advance by the shortest and slowest steps” oder “the transition [between species] could, according to my theory, be effected only by numberless small gradations” (Zitate ergänzt 7. 11. 2008; Schriftbild von mir, vgl. http://darwin-online.org.uk/ ).

Wir haben soeben gesehen, dass die Aussagen [a] und [b] auch nach neodarwinistischen Voraussetzungen nicht zutreffen. Woher "weiß" UK nun, dass [c] "ein jahrmillionenlanger Evolutionsprozess" als Anpassungsgeschehen zum Fangmechanismus Utricularias geführt hat? Wie soll z. B. durch einen jahrmillionenlangen Evolutionsprozess die Falle von Utricularia über "unzählige aufeinanderfolgende kleine Mikroevolutionsschritte" wasserdicht geworden sein? Oder, um auf meinen Vorschlag zurückzukommen: Welche direkt testbaren Hypothesen zur Evolution Utricularias hat uns UK mit seiner Behauptung vom jahrmillionenlangen Evolutionsprozess nun vorgelegt? Und wie könnte er die nach Robert Nachtwey viel zitierten und ausführlich diskutierten Einwände mit diesem Ansatz erklären?

Zur Erinnerung:

"Welche richtungslose Mutation soll im normalen Blattzipfel [oder Blattgrund] zuerst erfolgt sein und dann irgendeinen Auslesewert gehabt haben? Hatte sie diesen nicht, so ging sie als belanglos verloren. Ausdrücklich betonen die Darwinisten, dass Mutation und Selektion zusammenwirken müssen, wenn etwas Neues entstehen soll." [Etc. siehe Punkte 68, 71, 112 ff.] … [S]elbst eine vollkommene Kastenfalle mit der erstaunlichsten Fähigkeit, blitzschnell Tiere zu erbeuten, hätte ohne Verdauungssäfte nicht den geringsten Wert im Daseinskampf, weil die Beute nicht verdaut würde. Was aber soll es andererseits einem gewöhnlichen Blattzipfel [oder "a simple open trap"] nützen, wenn er noch so wirksame Verdauungssäfte ausscheidet, er kann ja die Beute nicht festhalten, was unbedingt nötig ist. … Die gelösten Eiweißstoffe müssen ja auch aufgesogen und in arteigenes Pflanzeneiweiß verwandelt werden. … Die Bildung des Wasserschlauchbläschens erfordert also das vollendet harmonische Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Gene und Entwicklungsfaktoren. Erst mit dem Endeffekt wird der Nutzen für den Daseinskampf erreicht, nicht aber mit irgendeiner Entwicklungsstufe" (von Nachtwey kursiv).

Ich möchte zum Thema Anpassung zunächst auch wieder an ein Wort von Thure von Uexküll erinnern:

"Hinter der Art und Weise, wie der Begriff 'Anpassung'...verwendet wird, steckt eine Philosophie, die von der Annahme ausgeht, die Lebewesen hätten sich zu Beginn in einer Welt befunden, für die sie nicht ausgerüstet waren und an die sie sich erst im Laufe einer unendlich langen Entwicklungsgeschichte hätten anpassen müssen."

Nach Kutscheras Ansatz und Vorstellungen trifft genau das auf Utricularia zu. Die Gattung (bzw. ihre angenommenen Vorläufer) war(en) zunächst an ihre zukünftige Umwelt ("extrem stickstoffarmer Lebensraum") nicht angepasst gewesen und hätten sich erst "im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses" durch "unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte" (insbesondere zur Bildung des komplexsynorganisierten Fangapparats) daran anpassen müssen.

Wie sollen die vielen Zwischenstufen ausgesehen und welchen Selektionswert sollen sie gehabt haben? Vgl. zu dieser immensen Problematik ausführlich wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf .

Sehen wir uns die Umwelt des Wasserschlauchs noch einmal etwas genauer an:

U. vulgaris L.:

Vorkommen in "Altwassern, Weihern, Teichen, Tümpeln, Gräben, Torfstichen, Kiesgruben und Schlenken." "...vorzugsweise über Humus-Gyttja-Böden ["Halbfaulböden"] in kalkarmem bis kalkreichem ... meso- bis eutrophem Wasser ...; ... eine gewisse Eutrophierung ertragend und an derartigen, von Viehweiden, Viehställen und Abwassereinleitungen beeinflussten, ammoniumreichen Standorten besonders üppig und großschläuchig, bei stärkerer Wasserverschmutzung jedoch verschwindend;"

Woran hätte sich also Utricularia vulgaris tatsächlich anpassen müssen? Musste sie sich überhaupt an etwas "anpassen" (von dem wässrigen Milieu einmal abgesehen)? Wie haben sich die zahlreichen oben aufgeführten Konkurrenten an den gleichen Lebensraum angepasst? Und sollen die vielen zusammen mit Utricularia vulgaris vorkommenden Arten in ihrem angenommenen Anpassungsprozess alle genau gleich weit fortgeschritten sein?

Uexküll fährt fort:

"Nach dieser Vorstellung wären schließlich alle Leistungen und Reaktionen lebender Wesen durch Anpassung entstanden. Denkt man diese Vorstellung konsequent zu Ende, dann hätten die Lebewesen der ersten Zeiten noch nicht über Reaktionen verfügt, die in irgendeiner Weise sinnvolle Antworten auf die Außenwelt bedeuteten. Es ist aber außerordentlich unwahrscheinlich, daß Tiere, Pflanzen oder auch Einzeller in einer Umgebung, mit der sie nicht das Geringste anfangen können, am Leben bleiben und Zeit haben, Anpassungsleistungen zu vollziehen. Ein Fisch, der aufs Land gerät, paßt sich der neuen Umgebung nicht an, sondern geht zugrunde. ...Wir kennen keine Anpassung, die von einem Zustand primärer Unordnung zu einem Zustand der Ordnung führt" (kursiv von mir)."

Bevor wir auf diese Frage unten zurückkommen wollen wir uns noch kurz dem von UK gebrauchten Begriff der Blatt-Metamorphose zuwenden:

[d] Blatt-Metamorphose: Mit Johann Wolfgang von Goethe (1790) stammt der Begriff Metamorphose aus der idealistischen Morphologie (Schlagwort: "alles ist Blatt"), die damit nicht notwendigerweise irgendwelche Abstammungshypothesen impliziert. Siehe zu dieser Thematik meinen Beitrag Goethe, Sex and Flower Genes in The Plant Cell (1994) und die Arbeiten Wilhelm Trolls (1984).

Troll hat seine Auffassung zu deszendenztheoretischen Fragen in Verbindung mit der "Urpflanze" wie folgt formuliert (zitiert nach Zimmermann 1953, p. 487):

Es ist "ein vollkommenes Missverständnis, wollte man die Frage nach der Urpflanze mit deszendenztheoretischen Vorstellungen verbinden. Die Urpflanze ist keineswegs die Stammform der höheren Gewächse im Sinne der Phylogenetik. Von einer solchen Urform ist uns nichts bekannt; und selbst wenn dies der Fall wäre, hätte sie doch nur historisches Interesse."

In meiner ersten Staatsexamensarbeit (1971) hatte ich im Rahmen des Kapitels XI Trolls "Metaphysik" und zur "Metaphysik" überhaupt (pp. 117131) Folgendes angemerkt: "Von welchem Interesse ist sie [die Urpflanze] sonst, wenn nicht als Gedanke der Schöpfung, als Grundbauplan, nach welchen die Angiospermen ins Dasein gerufen worden sind" (p. 121).

Der Begriff "Blatt-Metamorphose" beinhaltet also ursprünglich und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein intelligentes Design, er wird jedoch von UK ohne naturwissenschaftliche Begründung nur im materialistischen Sinne gebraucht ("unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte", die "im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses" dazu geführt haben sollen, werden als Ursache zusammen mir der Selektion nur behauptet, d. h. die Unterschiede werden nur so interpretiert, aber keineswegs bewiesen, denn gemäß UKs eigenen Ausführungen oben ist es "bis heute ungeklärt ..., wie die Fangapparate der Wasserschlauchpflanze im Verlauf der Stammesentwicklung entstanden sind" siehe oben).

(3) UK: "Neben den normalen, der Photosynthese dienenden Laubblättern werden zum Einfangen kleiner Tierchen (Insektenlarven, Krebschen) umgestaltete Spezialorgane ausgebildet. Diese Fangblasen oder Saugfallen entwickeln sich während der Ontogenese aus Blattanlagen. Über das Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere, die weitgehend aus stickstoffreichen Proteinen aufgebaut sind, deckt der Wasserschlauch in diesem speziellen Lebensraum seinen Bedarf am Mangelelement N und gewinnt außerdem verschiedene Ionen (Friday 1989)."

Machen wir uns den Gedankengang Kutscheras noch einmal im Detail bewusst: Laubblätter sollen sich also als Anpassungsprozess an einen "extrem stickstoffarmen Lebensraum" (in dem U. vulgaris gar nicht gedeiht) in die Spezialorgane der synorgansiert-komplexen Saugfallen "praktisch ohne Konkurrenz" (siehe dagegen die zahlreichen oben aufgeführten Spezies und Pflanzenfamilien der Begleitpflanzen und "Konkurrenten") "im Verlauf eines jahrmillionenlangen Evolutionsprozesses" (der als Transformationsprozess weder fossil noch sonswie überliefert ist, nachweisbar sind nur die 'fertigen' living fossils) durch "unzählige aufeinander folgende kleine Mikroevolutionsschritte" (durch ('Mikro'-)Mutationen, die in den meisten Fällen überhaupt keinen Selektionsvorteil gehabt hätten) eine "spezielle Blatt-Metamorphose" (ein Begriff der idealistischen Morphologie, der Design beinhaltet) entwickelt ("entwickelt" ohne Ziel (telos), Sinn und Plan) bzw. "umgestaltete Spezialorgane" ausgebildet haben. 2 0

Um weiter Uexkülls Einwand auf Kutscheras Vorstellungen anzuwenden: Denkt man diese Vorstellung konsequent zu Ende, dann hätten die Vorfahren Utricularias noch nicht über Reaktionen verfügt, die in irgendeiner Weise sinnvolle Antworten auf diesen extrem stickstoffarmen Lebensraum bedeuteten. Es ist aber außerordentlich unwahrscheinlich, dass Pflanzen in einer Umgebung, mit der sie nicht das Geringste anfangen können, am Leben bleiben und Zeit haben, Anpassungsleistungen zu vollziehen.

Natürlich werden die Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie jetzt einwenden (alle falschen bzw. unbewiesenen Voraussetzungen einmal als richtig angenommen), dass das ja ein langsamer Anpassungsprozess an immer stickstoffärmere Biotope gewesen sei. Zu bedenken ist jedoch nach UKs eigener Aussage, dass der Wasserschlauch durch 'das Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere, die weitgehend aus stickstoffreichen Proteinen aufgebaut sind, in diesem speziellen Lebensraum seinen Bedarf am Mangelelement N deckt und außerdem verschiedene Ionen gewinnt (Friday 1989)'.

Solange das "Einsaugen und Verdauen kleiner Tiere" jedoch noch nicht richtig funktionierte wir müssen bei den postulierten 'unzähligen aufeinander folgenden kleinen Mikroevolutionsschritten' selbstverständlich von zahlreichen sehr unvollkommenen (oder in dieser Hinsicht praktisch noch gar nicht funktionierenden) Zwischenformen ausgehen wie sollten dann die Utricularia-Vorfahren in Konkurrenz mit den vielen weiteren Pflanzenspezies (siehe wieder die Aufführung der Arten und Familien oben) zunächst ohne vergleichbar gut funktionierende Anpassungen an die neue Umwelt überlebt haben? Hätten sie sich jedoch in ähnlicher Weise wie die Begleitpflanzen ohne Karnivorie an einen "extrem stickstoffarmen Lebensräum" angepasst und überlebt wozu wäre dann noch die Entwicklung der komplex-synorganisierten Fangapparate selektionstheoretisch notwendig gewesen? Sie überleben damit ja keineswegs besser als die vielen anderen Arten der Begleitpflanzen unterschiedlichster Differenzierungshöhe von Algen, Moosen, Farnen bis zu den zahlreichen nicht karnivoren Angiospermen. Siehe dazu auch noch einmal Nachtweys Einwände

Zu den unzähligen kleinen Mikroevolutionsschritten durch Mutationen mit "slight or invisible effects on the phenotype" (Mayr), die in den meisten Fällen überhaupt keinen Selektionswert gehabt hätten, vgl. wieder http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf , pp. 46/47 und 101/102. Der Polymerchemiker Bruno Vollmert hat diesen Punkt übrigends schon vor Jahren im Detail diskutiert und überzeugend dargelegt (vgl. Vollmert 1985).

12 Solche naturwissenschaftlichen Tatsachen kann man natürlich auch nicht weiter dulden, geschweige denn überhaupt erst zur Kenntnis nehmen und schon gar nicht im Namen der Wissenschaft.

13 http://www.weloennig.de/Wasserschlauch.html

14 http://www.umweltdatenbank.de/lexikon/eutroph.htm
"Eutroph (Trophiestufe III): Eutroph sind Gewässer mit guter Nährstoffzufuhr und daher guter organischer Produktion. Das Hypolimnion eutropher Gewässer ist im Sommer sehr sauerstoffarm, das Epilimnion dagegen übersättigt mit Sauerstoff. Das Plankton ist sehr arten- und individuenreich. Eutrophe Gewässer sind in der Regel trüb mit Sichttiefen unter ein Meter. Der Grund des Gewässers ist mit einer anaeroben Faulschlammschicht bedeckt, die massenhaft mit Schlammrohrwürmern und Zuckmückenlarven besiedelt sind. Aus dieser Schicht diffundieren während der Wasserzirkulation im Herbst Eisenphosphate aus und tragen zu einer schnellen Eutrophierung des Gewässers bei. Im Sommer tritt häufig Wasserblüte auf, so dass das Wasser meist grünlich bis gelbbraun gefärbt ist. Die Sichttiefe liegt in der Regel unter zwei Metern und die Sauerstoffsättigung am Ende der Sommerstagnation unter 30%." http://www.bioboard.de/topic,555,-definitioneutroph-und-oligotroph.

15 Mesotroph werden Gewässer genannt, die sich in einem Übergangsstadium von der Oligotrophie zur Eutrophie befinden. Der Nährstoffgehalt ist höher und Licht kann noch in tiefere Wasserschichten eindringen. Mit zunehmender Dichte des Phytoplanktons ändert sich die Eindringtiefe des Lichtes. Die Sichttiefe beträgt noch mehr als zwei Meter und die Sauerstoffsättigung am Ende der Sommerstagnation zwischen 30 und 70%. Die Phosphatfalle bleibt wirksam." http://de.wikipedia.org/wiki/Trophiesystem

16 http://de.wikipedia.org/wiki/Gyttja

17 Seite 6.

18 Vgl auch das inzwischen klassische Werk von A. Garcke, Illustrierte Flora, 23., völlig neu gestaltete Auflage (K. von Weihe (Hg.)) 1972, p. 1339 ("Laichkrautges., Teichrosenbestände, Teiche, Sümpfe, Gräben; stehende, od. langsam fließende, nährstoffreichere Gewässer.")

19 http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf Dort weitere Fakten und Ausführungen, insbesondere auch zu den Kosten der Karnivorie.

20 Erinnern wir uns an UKs schon oben zitierte Worte: "Phantasy ist jedoch nicht gleich Reality: die Erstere entspringt den Hirnwindungen eines individuellen Menschen, während die Letztere auch außerhalb unseres Großhirns, d. h. in der Wirklichkeit, existiert." "Irrationale Glaubenssätze, die etablierten wissenschaftlichen Fakten widersprechen, sitzen jedoch nicht selten so tief, dass man durch sachliche Aufklärung bei derart ideologisch geprägten Menschen keinen Gesinnungswandel herbeiführen kann."

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Ende Teil II / 2 von 4

© 2011 by Wolf-Ekkehard Lönnig
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