Wolf-Ekkehard Lönnig:Last Update 5. August 2010: neu ist der Teil 2 ab p. 113 (frühere Updates zum ersten Teil siehe p. 112).Einige zumeist kleinere orthographische Korrekturen am 13. 12. 2011. "Die Affäre Max Planck", die es nie gegeben hat
VorwortAxel Meyer, seit 1997 Professor für Zoologie/Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz (Mitglied der alten und 'neuen' AG Evolutionsbiologie sowie des von Ulrich Kutschera neu gegründeten AK [Arbeitskreises] Evolutionsbiologie und der dezidiert a(nti)theistischen Giordano-Bruno-Stiftung) und Hubert Markl, ebenfalls Zoologieprofessor in Konstanz1 und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft von 1996 bis 2002, beschreiben im Novo-Magazin (2006)2 eines der vermeintlichen Hauptargumente der Intelligent-Design (ID)-Theorie gegen die modern synthesis oder Synthetische Evolutionstheorie (Neodarwinismus) unter dem Titel Intelligent Design versteht die Evolution nicht wie folgt (Hervorhebung im Schriftbild von mir): "Die etwa 3,3 Milliarden Nukleotide G, A, T und C (das genetische Alphabet besteht nur aus diesen vier Nukleotidtypen) des Homo sapiens- oder Pan troglodytes-Genoms […] enthalten die Information, die am Ende einen funktionierenden Menschen oder Schimpansen ausmachen. Kann so ein komplexes Genom allein durch eine ziellose Serie von Zufällen entstanden sein? Die grob simplifizierte (und damit falsche) Wahrscheinlichkeit wäre 3.300.000.000 hoch 4 (also 1 zu ~1,18 hoch 38, wenn an jeder Position des Genoms G, A, T und C die gleiche Wahrscheinlichkeit hätte) – unmöglich, dass so etwas zufällig geschehen könnte." Abgesehen davon, dass ich keinen modernen ID-Theoretiker3 kenne, der auf diese Weise argumentiert, möchte ich an dieser Stelle mit dem Zitat eines Hochschulprofessors aus seiner Statistikvorlesung Folgendes zu bedenken geben (Hervorhebung wieder von mir): "Gibt es für jeden Platz 4 verschiedene Möglichkeiten, die diese Position einnehmen können, kann man auf einem Gen mit der fiktiven Länge von nur 3 Nukleotiden (n = 4; k =3) somit die Nukleotide auf 43 = 64 Möglichkeiten anordnen (und nicht wie manchmal zu lesen [z. B. im obigen Zitat von Meyer und Markl; Anm. von W-EL]: 3 hoch 4, was somit falsch ist). Die Lösung lautet also nicht 3,3 Mrd. hoch 4, sondern 43,3 Mrd. - diese Zahl ist nicht mehr darstellbar (dies ergäbe eine 1 mit rund 700 Millionen Nullen! Mathematiker definieren ein Ereignis ab einer Wahrscheinlichkeit von 1:1050 bereits als unmögliches Ereignis. Dass ein Mensch "auf einen Schlag" entsteht, ist damit also unmöglich)."4 Die Autoren Meyer und Markl5 zeigen hier also nicht nur ihre mangelnde Kenntnis der ID-Theorie6, sondern auch sehr ungewöhnliche Fehler in den mathematischen Berechnungen, von denen sie behaupten, sie seien Teil der ID-Theorie. Das trifft jedoch weder auf den Berechnungsansatz als solchen und schon gar nicht auf den untergeschobenen Berechnungsfehler zu.7 Und daran gemessen darf man vielleicht ihren Beitragstitel begründet wie folgt umkehren: Evolution versteht Intelligent Design nicht (von der Genetik und Mathematik einmal ganz abgesehen). Die Motivation der Autoren? Direkt an das obige Zitat von Meyer und Markl mit ihren unrichtigen Zahlen lesen wir: "Aber müssen wir deshalb die Existenz eines Schöpfers postulieren, damit so etwas Komplexes durch Mutation allein (Selektion wird von ID dabei grundsätzlich ignoriert) entstanden sein könnte?" Hauptsächlich um die Verneinung der Existenz eines Schöpfers geht es diesen und vielen weiteren Autoren (siehe dazu die ausführliche Dokumentation unten). Dass dabei die Behauptung zur Selektion und ID nicht zutrifft, wurde oben schon angemerkt. Fehler machen wir bedauerlicherweise alle. Neu ist vielleicht, dass man die Existenz eines Schöpfers nach diesem atheistischen Muster der Beweisführung sogar mit nachweislich falschen Rechnungen samt unrichtigen Behauptungen zur ID-Theorie mit dem eindringlich vorgetragenen Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit widerlegen kann. Wie überzeugend ist das? Dergleichen kann also im Namen der Universität Konstanz (mit
Hinweis auf die Position von Hubert Markl von 1996-2002 als Präsident
der Max-Planck-Gesellschaft) publiziert werden – ohne Disclaimer
und auch nur die geringsten Konsequenzen für Ruf und Ruhm
der Autoren. Im Gegenteil: Der Beifall – selbst aus akademischen
Kreisen – ist ihnen sicher. Siehe dazu weiter die erstaunlichen
historischen Fehler von Axel Meyer, die im vorliegenden Dokument
pp. 80-84 diskutiert werden. Zu dieser fragwürdigen Motivation (vgl. dagegen Max Planck zum Thema Gott und Naturwissenschaft auf der Buchrückseite und im Originalton unter http://www.youtube.com/watch?v=9UDeor6L288) samt der genetisch-mathematischen und historischen Fehler gesellen sich von weiteren Autoren zahlreiche unwahre Behauptungen zu meiner Person (Ad-hominem-Attacken), so zum Beispiel die mir unterstellte "Verbrecher"-Behauptung (vgl. p. 23): Tatsächlich schreiben nun M. Neukamm (M. N.) und A. Beyer (A. B.) auf der Seite 271 ihres Beitrags im Zusammenhang mit mir, d. h. sie meinen eindeutig mich damit: "Unseres Erachtens disqualifiziert sich als Gesprächspartner, wer die Fachvertreter der Evolutionsbiologie … als Dogmatiker, Lügner, Verhinderer, Blockierer oder gar Verbrecher hinstellt." Dazu möchte ich nun doch einmal wissen, wo ich die Fachvertreter der Evolutionsbiologie in dieser Weise kategorisiert und nicht zuletzt sogar als "Verbrecher" bezeichnet haben soll.8 – Wie oben schon erwähnt, habe ich selbst mit vielen dieser Fachvertreter friedlich und erfolgreich diskutiert und/oder wissenschaftlich zusammengearbeitet (wie Theo Eckardt, Werner Gottschalk, Heinz Saedler, Kurt Stüber, Günter Theißen und mit vielen anderen) und viele habe ich als Wissenschaftler und Persönlichkeiten auch sehr schätzen gelernt. Man kann M. N. und A. B. nur empfehlen, ihre schwer diskriminierenden Unterstellungen mit Zustimmung von […] Herrn Kutschera zurückzunehmen. Bisher (August 2011) ist weder eine Rücknahme noch eine Entschuldigung dieser für mich schwer rufschädigenden Verbrecher-Behauptung der Autoren Neukamm, Beyer und des Herausgebers Kutschera erfolgt. Ist das nicht das Mindeste, was man im Rahmen eines Normalmaßes an Anstand hätte erwarten können? Auch die Fragen von p. 101 – insbesondere auch die Frage unten: "Ist dieser Bericht [des Johannes] nun nach Auffassung von A. B. wahr, d. h. sind die Dinge wie beschrieben geschehen oder nicht?" – sind völlig unbeantwortet geblieben. Und vielleicht darf man in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, inwieweit sich nun M. N., A. B., A. Meyer, H. Markl und U. Kutschera als Gesprächspartner wissenschaftlich 'qualifizieren'. Vgl. dazu (auch) die Analyse von Kutscheras Utricularia-Erklärung unten pp. 114-136 und speziell zu M. N. die Fußnote 205 auf der Seite 117 von http://www.weloennig.de/Utricularia2010.pdf Geht es den Autoren also noch um Wahrheit, Wissenschaft und Tugend/Virtue? Der Soziologe Robert Schmidt hat die Situation in der heutigen Biologie wie folgt treffend beschrieben (2006, p. 170): "Die Frage ist nur, wer im Kräftefeld der institutionellen Machtverhältnisse über die größere Definitionsgewalt verfügt und damit auch die Deutungen der Realität mitbestimmen kann." Siehe zu diesem Themenkreis weiter die Anmerkungen des Journalisten Arno Kleinebeckel aus seinem Buch Seufzende Sterne. Die Weltmaschine im Darwinjahr, Athena-Verlag (2009), hier zitiert auf der Seite 108, sowie den Artikel von Cord Riechelmann Kann das alles Zufall sein? vom 21. Dezember 2005 in der (interessanterweise) linken Wochenzeitung Jungle World unter http://jungle-world.com/artikel/2005/51/16576.html. Benno Kirsch, ein Politologe, der sich inhaltlich (ebenfalls) deutlich vom Kreationismus distanziert, bemerkt zum Geschehen am MPIZ (2010, pp. 228/229, bold wieder von mir): “Lönnig hatte einige seiner wissenschaftlichen Aufsätze auf die ihm zur Verfügung stehenden Seite seinesInstituts eingestellt und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was ein demokratisch gesonnener Mensch als das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Freiheit der Wissenschaft ansehen mag, wollte Kutschera nicht einleuchten. Er sah in den Aufsätzen, die nicht dem darwinistischen Interpretationsschema folgten, eine Zumutung und setzte deshalb alle Hebel in Bewegung, damit die Artikel von der MPIZ-Seite verschwinden. Aus Angst vor einem Rufschaden durch die von Kutschera angezettelte internationale Kampagne fügte sich die Leitung des Instituts der mit großinquisitorischem Gehabe vorgetragenen Forderung und sperrte die Seite des Wissenschaftlers. Mobbing und Zensur im Namen der Wissenschaft? Ich war alarmiert und recherchierte weiter. Bald fand ich heraus, dass es sich beim Fall Kutschera zwar »nur« um einen extremen Ausdruck missionarischen Atheismus' handelte. Doch allein die Atmosphäre, in der der Kreationistenjäger aus Kassel unliebsame Ansichten und Forschungsergebnisse mundtot zu machen versuchte, war bemerkenswert: Sie war — und ist – voller Hass und Verachtung für jene, die sich dem darwinschen Paradigma nicht unterwerfen wollten. Bereits wie die Antikreationisten über ihre weltanschaulichen Kontrahenten redeten, sprach Bände.“ Diese Bände sprechende Rede der Antikreationisten wird in der vorliegenden Arbeit anhand vieler Beispiele dokumentiert und analysiert. Auch auf der Seite 31 stellt Kirsch weitere wesentliche Punkte heraus: “Während die Kreationisten dem Mainstream ihre eigene Sicht auf die Dinge entgegensetzen […], gehen die Antikreationisten darauf aus, jedes konkurrierende Konzept zu vernichten. Das heißt, dass sie alles daransetzen, ihre Gegner zum Schweigen zu bringen: durch Verleumdungen, Schmähungen und vor allem dadurch, dass man sie zum Schweigen bringt, indem man ihnen die Möglichkeit nimmt, sich Gehör zu verschaffen. Das gelingt ihnen allerdings nur innerhalb der scientific community, in der ein Klima der Angst geschaffen wurde: Wehe dem Wissenschaftler, der sich nicht aktiv von allem distanziert, das auch nur im Geruch steht, »kreationistisch« zu sein — es würde das Ende seiner Karriere bedeuten! Außerhalb dieser Kreise hat der antikreationistische Komplex diese Möglichkeit dank der demokratisierenden Wirkung des Internets zum Glück nicht.“ Hat sich die Situation mit den beiden Neugründungen (AK Evolutionsbiologie und der 'neuen' AG Evolutionsbiologie) nun grundsätzlich geändert? Kein Hass, keine Verachtung, kein Klima der Angst mehr in der scientific community? Die Antwort ist – bedauerlicherweise – ein deutliches NEIN. Der vorliegende Beitrag ist über eine historische Aufarbeitung und Richtigstellung zahlreicher falscher Behauptungen zur "Affäre Max Planck" samt Analyse des Klimas der Angst (vgl. dazu insbesondere den Beitrag von Schmidt) hinaus mit dem Thema Intelligent Design und den Hinweisen auf die positive Beweislage zur Existenz eines Schöpfers weiter hochaktuell. Übrigens betitelt der auch im Folgenden noch mehrfach zitierte Politologe Benno Kirsch das erste Unterkapitel seines Buches Naturalismuskritik – Interventionen gegen den wissenschaftlichen Imperialismus 2007-2009 (2010, p. 7) sehr durchdacht und passend als "Die Affäre Ulrich Kutschera". In diesem Sinne spricht auch Karl Willnat (2007) von einer "Affäre Kutschera". Wolf-Ekkehard Lönnig, Köln am 21. August / 21. November 2011
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